Walter Bunsmann
Präsident mit Weitblick
Walter Josef Maria Bunsmann war von 1978-1990 Präsident der Hamburgischen Architektenkammer. Dabei ging sein Blick stets über das berufsständische Feld hinaus. Er kümmerte sich um Politik und die Künste und war ein Initiator des Hamburgischen Architekturarchivs. Seinem Einsatz ist es zu danken, das nach vielem Hin und Her das Archiv 1984 als eine Einrichtung der Kammer gegründet wurde.
Bunsmann verfügt über eine enorme Sprachgewandtheit und Wortgewalt in Rede und Schrift., die an einen Abraham a Santa Clara (1644 - 1709) denken läßt. Mit diesem Kanzelredner, Volksschriftsteller, Augustiner-Barfüßer und Hofprediger hat Bunsmann auch die Nähe zur Kirche gemein. Bunsmann predigt nicht, jedenfalls nicht als Geistlicher, aber er schuf Räume für Predigten. Ein Schwerpunkt seines Schaffens als Architekt war der Entwurf von Bauten für die - katholische - Kirche. Genannt sei hier die Katholische Akademie in der Ludwig-Erhard-Straße in Hamburg (1974). Am bekannsten ist vielleicht das Dokumentenhaus auf dem Gelände des ehemaligen KZ Neuengamme, welches er in Partnerschaft mit Paul Gerhard Scharf entwarf.
Biografie
Was wird aus unseren Städten?
Von Walter J.M. Bunsmann
Schrumpfen der Stadt - eine Bedrohung oder eine Chance? Was wird aus Hamburg in den neunziger Jahren? Was soll aus Hamburg werden?
Die Hamburgische Architektenkammer stellte diese Fragen auf ihrer gut besuchten und stark beachteten Jahresfachtagung am 19. Juni 1986.
Ein halbes Jahr vorher saßen im gleichen Saal die Bürgermeister von Berlin - Diepgen, der von Bonn - Daniels, von München - Kronawitter und der von Hamburg - Dr.v. Dohnanyi. Das Plenum, handverlesene Gäte, befragte die Stadtväter nach ihren Sorgen und Ansichten und Aussichten. Alle beneideten zunächst München, die Stadt mit den Krawattenträger-Industrien, bis zum Bersten voll von high-tech, aber auch voll Freizeitwert, Kultur und Gaudi. Als beati possidentes bezeichnete Hamburgs Bürgermeister die Münchner, als Selig-Besitzende gegenüber einer Hafenstadt, die der Hafen nicht mehr trägt, deren Grobindustrie so recht keine Zukunft hat, deren Gewerbebesatz reichlich ökologische Alt- und Neulasten, aber nicht genug Steuern produziert. Aber - und das war für alle Anwesenden das Überraschende: Der Münchner Kronawitter glaubt selbst nicht an die eigene Glückseligkeit, wenigstens nicht an deren Dauer. Die Schlange, die das Paradies schänden wird, sieht er in Süd-Ost-Asien. Dorthin wird, so Kronawitters Prognose, in wenigen Jahrzehnten die high-tech abwandern. Was aber dann an der Isar? Doch trotz dieser Prognose - das ist der zweite Anlaß zum Staunen - geht der Akquisitionswettbewerb unter den Städten um high-tech weiter, um die dazugehörigen typischen Bevölkerungen, für die Freizeitwert hergehört (offensichtlich mehr Freizeitwert als für die Arbeiter der Grobindustrie je postuliert wurde).
Da stimmt doch etwas nicht. Schauen wir auf die Szene, wie sie sich dem Normalbürger darstellt: Da schwappt frei flottierendes internationales Kapital auf der Suche nach der Maximalrendite auf dem Globus hin und her, und die Bürgermeister halten ihre Eimerchen mehr oder weniger geschickt, um davon einzufangen, was geht. In dieser Städtekonkurrenz geht vieles und manches hin und her, auch nicht mit rechten Dingen zu, und sehr vieles geht unter: Nicht nur die Souveränität der Stadtherren, die beim Klinkenputzen in den Chefetagen nicht sonderlich gut aussehen, nein - im Konkurrieren geschieht auch Abgebot an Unabdingbarem, an sorgfältig bedachter Stadtplanung, an Natur- und Landschaftsschutz, an ökologischen Mindeststandards. Es geschieht, weil Schrumpfen nicht irgendeine, sondern die Katastrophe schlechthin ist oder sei, - so jedenfalls sagen die, welche solche Abgebote dann zu Hause, nach der Rückkehr aus Miami, rechtfertigen.
Nun läßt sich mit Katastrophengerede allemal leichter Stadtpolitik machen: Wenn es brennt, hört jede Debatte auf, wenn Wasser ins Vorschiff eindringt, Demokratie auch. Da muß alles schnell gehen. "In drei Monaten die Baugenehmigung", verspricht Dortmund in einer Zeitungswerbung dem ansiedlungswilligen Betrieb. Da eine normale Baugenehmigung "wegen der Beteiligung der bürgerschaftlichen Gremien" ein Jahr dauert, - na, woher stammt da wohl der Zeitgewinn, der versprochene? Auch Hamburg wurde, seit es in eine handelspolitische Ecklage geriet, ständig von der weltweiten Katastrophenstimmung aus Schrumpfungsgefahr gestreift. "Das bißchen Bauxitschlämpe in der Elbe", - ein Kern-Satz von damals, als Reynolds Aluminium herkam, eröffnete eine ganze Kette von solchen leichtfertigen Diskussionen mit solchen Anträgen auf Schluß der Debatte, ob Ikea, ob Bergedorf, ob World-Trade-Center, bloß her damit, ja - egal wie? Der Neue darf alles, wenn er nur kommt, - den Bürgereid braucht er nicht zu leisten, und folglich auch nicht zu halten?
Auszug aus: Walter J.M. Bunsmann: Einreden. Texte von 1964 bis 1987, S. 107
Werkauswahl
Quellen
Walter J.M. Bunsmann: Einreden. Texte von 1964 bis 1987, S. 111
Hermann Hipp: Freie und Hansestadt Hamburg, Köln 1989
Ralf Lange: Architekturführer Hamburg, Stuttgart 1995