Layla Dawson

Von Karl H. Hoffmann
Mit Hilfe von Gerrit Frank

Miss Dawson herself

Bestand Dawson D 03/07

Heimat Erde

Layla Dawson wollte sich nicht in den Mantel irgendeiner Nationalität zwängen lassen. Am ehesten sah sie sich als Eurasierin, aber auch diese Einordnung fand sie eigentlich überflüssig. Ihr Großvater väterlicherseits kam ursprünglich aus einer Region Nordindiens, die heute zu Pakistan gehört. Von dort zog er auf die Fidschiinseln, um auf den Zuckerrohrplantagen weißer Siedler zu arbeiten. Auf den Fidschiinseln wurde auch Layla Dawsons Vater geboren. Ihn zog es zum studieren nach Neuseeland, wo er jene Frau kennen lernte, die Layla Dawson Mutter werden sollte. Beide zogen 1948 nach England, wo Layla Dawson Mutter herkam. Ihre Vorfahren stammten aus Schottland und Frankreich.

1949 wurde Layla Dawson als Layla Irene Zarbaft Shah in London geboren. Sie war das erste Kind der Familie, zwei weitere folgten. Layla Shah blieb zunächst in England, studierte in Newcastle upon TyneIn. Nach Abschluss des Studiums (BArch Hons) zog es sie nach Kuwait, wo sie als Projektarchitektin tätig wurde. Es folgte 1977 die Rückkehr nach England, wo sie in mehreren Architekturbüros arbeitete. 1981 dann der endgültige Abschied von Großbritannien. Sie siedelte mit ihrem ersten Mann, Terry Dawson, nach Asien über. Hongkong wurde einige Jahre zu ihrem Wohnort. Von dort zog sie 1989 nach Hamburg, um mit dem Grafiker Christoph Krämer zusammen zu leben, den sie bereits 1967 in Bonn kennen gelernt hatte. Nach Krämers frühen Tod im Jahre 2010 zog Layla Dawson nach Neuseeland, wo peu à peu ihre Familie wieder zusammen fand. 2015 starb Layla Dawson in Neuseeland.

Blick für Tristesse: New York, 12-20 März 1998

Bestand Dawson D 15/7

Zwei Leben

1989 war das Jahr, in dem Layla Dawson ihr Leben in eine andere Bahn lenkte. Bis dahin schien alles geradlinig zu verlaufen: Architekturstudium, Bachelor of Arts, Mitarbeiterin im Architekturbüro von C.B. Pearson, Son & Partners in Lancaster, 1982 Projektentwicklerin für Maunsell Consultants in Hong Kong, 1987 Senior Lecturer für Architektur an der Polytechnik Universität Hong Kong. Dann der Bruch: Trennung vom ersten Ehemann und vom "früheren Leben als reiche Architektin in Südostasien". Flug zur Familie nach London und schließlich Umzug nach Hamburg, wo sie die nächsten zwei Jahrzehnte mit dem Künstler und Typografen Christoph Krämer zusammen lebte. Layla Dawson war fortan nicht mehr als Architektin oder Projektentwicklerin tätig, sondern wurde freie Autorin. Sie schrieb hunderte Artikel für englischsprachige Architekturzeitschriften, besprach aber auch neue Literatur in der Hamburger Zeitschrift "Konkret", veröffentlichte Artikel in den Jahrbüchern des Deutschen Architekturmuseums oder thematisierte ihren multikulturellen Hintergrund in Essays und Büchern.

Verwaltungsgebäude der Nord/LB, Hannover

Architekten: Behnisch & Behnisch, Juli 2002. Bestand Dawson D 29/2

Panzer mit Antennen: Layla Dawson als Autorin

Ein immer wiederkehrendes Thema in den zahlreichen Essays und Zeitschriftenartikeln Layla Dawsons war das Design von Möbeln, das sie mit anschaulichen Bildern beschrieb. So etwa in einem Artikel über Schreibtischsysteme:
„Manche dieser Artgenossen tragen anthrazitfarbene Panzer und haben Antennen ausgefahren, an denen Beleuchtungskörper sitzen, deren unwirklicher Schein wie das Glühen radioaktiver Brennstäbe wirkt, wenn man sie durch die Trennscheiben aus Bleiglas betrachtet.“ Es gibt aber auch eine andere Art, die mit der ersteren in Symbiose lebt: „Sie gleiten mit gespreizten Beinen auf Rollen über die weichen Böden. Mal sind sie mit Lederhäuten bespannt, die unter der Berührung quietschend nachgeben, mal verkleiden sie sich als bunter Schmetterlinge, die sich von den ehrfurchtgebietenden dunklen Monstern respektlos irisierend abheben“.
Dawson ließ die Möbel aber nicht im Designerhimmel stehen, sondern holte sie dort ab, brachte sie auf den Boden der Arbeitswelt und erklärte noch, wozu dieses Design gut ist: „Je weniger die Arbeitskraft eine Kraft ist, desto mehr braucht sie den Anschein von Macht. Wenn sich nichts bewegt, die Arbeitszeit gleich bleibt, der Lohn stagniert und die soziale Sicherheit abnimmt, dann doch wenigstens um den Preis des Gefühls, im Status erhoben zu sein.“ (1)

Dieses Spiel von Schein und Wirklichkeit analysierte Layla Dawson auch bei den Kreatoren von Möbeln:
"Ihr Aufzug verbürgt 'street-credibility' - szenemäßiger Bürstenschnitt, der einzelne Ohrring, die Laufmasche in den schwarzen Strumpfhosen, heftiges Make-up und klobige Schuhe oder mittelalterliche Pömps. Obwohl sie aussehen, als seien sie gerade einem Kreuzberger Besetzerhaus entstiegen, sind sie in Wirklichkeit Architekten, Fotografen, Maler, Filmemacher und Industrie-Designer." (2) So beschrieb sie die Macher der Ausstellung "Transmöbel" 1991 in Mailand. Die Ausstellungsobjekte wurden ganz trashig-schick in Güterwaggons auf einem Abstellgleis gezeigt.

Vielleicht galt auch hier der Satz, den Layla Dawson anlässlich einer Rezension des Buches "Mein Leben als Mann" von Philip Roth formuliert: „Gefährlich leben das mögen wir durchaus, aber aus zweiter Hand.“ (3)

(1) Layla Dawson: "Ganz zu ihren Diensten". in Konkret, Heft 5, 1990, S. 67-69
(2) Layla Dawson: Phantasie aus zweiter Hand. Die deutsche Schule der Schweißer und Black & Decker-Werker. In: Eßlinger Zeitung, 25.4.1992, S. 25
(3) Layla Dawson: Des Mannes Dreifaltigkei. In: Literatur-Konkret 1990, S. 90-91

Grünauer Welle. Hallenbad in Leipzig-Grünau

Architekten: Behnisch, Behnisch & Partner. Aufnahmedatum: 20. Mai 1999t. Dawson D 21/31

Die Fotos von Layla Dawson

Layla Dawson war keine professionelle Fotografin. Viele der mehrere Tausend Dias, die im Hamburgischen Architekturarchiv lagern, sind eher Reisebilder, manche davon sind zudem noch technisch unzulänglich. Architekturfotografien im herkömmlichen Sinne sind klar in der Minderheit. Die Aufnahmen verraten aber viel über Layla Dawsons Blick auf die Welt. Sie interessierte sich stark für die Rückseiten der Glitzerstätten und Glitzerstädte. Reste von Plakaten an einer Hauswand in Imperia, schäbige Straßen in New York, Schrottverladung in Hamburg-Harburg, ein Lagerplatz für historische Bauteile irgendwo in England. Wie in ihren Texten hatte Layla Dawson auch hier einen Blick für die absurde Seite der Welt.

Neues Wohnquartier in Amsterdam-Oost

Dawson D 24 / 8

Biografie

Ökumenisches Seelsorgezentrum Dresden

Architekten: Kister, Scheithauer, Gross. Dawson D28/7

Publikationen

Autostadt Wolfsburg

Architekten: Henn Architekten Ingenieure. Aufnahmedatum: 29.8.2000. Dawson D 26/1

Verwendete Quellen

Hamburgisches Architekturarchiv der Hamburgischen Architektenkammer