Sprotte & Neve

Von Karl H. Hoffmann

Der ZOB

Das Architekturbüro Sprotte und Neve hatte einen wichtigen Anteil an der Formung des Stadtbildes von Hamburg nach 1945. An besonders markanter Stelle - gleich hinter dem Hauptbahnhof - errichteten Sprotte und Neve den neuen Zentralen Busbahnhof. Ein Bauwerk das in vielfacher Hinsicht zeitypisch war. Mobilität und insbesondere Automobilität war eines der großen Themen beim Wiederaufbau nach 1945. Typisch auch die Architektur des ZOB, eine Art angepasste Moderne, die ihren Weg zwischen Tradition und Bauhaus-Moderne suchte..
Einige Jahre später sprach man von der "Nierentisch-Kultur". Auch Sprotte und Neve lieferten hierzu ihre Beiträge, z.B. das wiederaufgebaute Wohnhaus Bellevue 20 mit seinen busenformigen Balkonen oder das Gebäude der Hamburger Sparkasse an der Ecke Osterstraße / Heußweg mit der "gestrickten" Fassade..
Den ZOB von Sprotte und Neve gibt es nicht mehr, er wurde 2001 abgerissen und durch einen neuen Busbahnhof von ASW Silcher - Werner ersetzt. Ein Schicksal das er mit vielen Bauten der 50er Jahre teilt.

IGA und Messe

1953 war für Hamburg ein wichtiges Jahr. Zum ersten Mal fand die Internationale Gartenbauausstellung (IGA) in der Hansestadt statt (1963 und 1973 folgten weitere). Gleichzeitig wurde Hamburg zur Messestadt. Bauplatz für Gartenbauausstellung und Messe wurde ein Gelände am Dammtorbahnhof, das Teile des Botanischen Garten, Planten un Blomen und ein Gebiet nördlich der Jungiusstraße umfasste. An den vielen Bauaufgaben war auch das Büro Sprotte & Neve mehrfach beteiligt. Ein Höhepunkt ihrer Arbeit wurde die Ausstellungshalle 4 mit der vollverglasten Südfassade.
Weniger ein Höhepunkt als ein kurzlebiges Ausrufezeichen des Zeitgeistes war der Pavillon des Ostens, der für das Ministerium für gesamtdeutsche Beziehungen errichtet wurde. Architektur in Zeiten des Kalten Krieges. Im Pavillon wurde an die "Brüder und Schwestern" in der "sowjetische Besatzungszone" genannten DDR erinnert. Freiheitsglocken sollten den kommunistischen Spuk vertreiben.

Biografie Peter Neve

Wohnungsbau

Einzelobjekte wie der ZOB bleiben leicht im Gedächtnis haften. Anders sieht es mit Wohnbauten aus, die in den meisten Architekturbüros das Gros der Aufträge ausmachen. Sprotte und Neve entwarfen Dutzende Einzelhäuser, viele Wohnanlagen und einige Siedlungen. Nach Schätzungen von Christiane Panhans brachte es das Büro auf 20.000 Wohneinheiten. Zu den bemerkenswerten Bauten zählt das Apartmenthaus Falkenried 57 in Hamburg - Hoheluft-Ost. Ralf Lange zeigt sich begeistert von der "filigranen Stahl-Glas-Konstruktion". Aus dem gelben Klinker und dem flach geneigten Dach des Gebäudes liest Lange Einflüsse der skandinavischen Moderne ab. Ähnliche Einflüsse lassen sich auch bei anderen Bauten von Sprotte und Neve vermuten, etwa bei der Schule Lesserstraße. Skandinavien war in den 50er Jahren beliebtes Ziel von Exkursionen Hamburger Architekten.

Hegholt

Zu den großen Siedlungen in Hamburg, an deren Bau Sprotte und Neve beteiligt waren zählen Alter Teichweg, Bahnhof Berne und Hegholt.
Die Siedlung Hegholt in Hamburg-Bramfeld wurde ab 1960 gebaut. Interessant ist ihre Planungsgeschichte. Zwei Wohnungsbauunternehmen - die städtische SAGA und das Gewerkschaftsunternehmen Neue Heimat - entwarfen jeweils einen Bebauungsplan. Für die SAGA wurden Sprotte und Neve engagiert, die Neue Heimat ließ Ernst May entwerfen. In Zusammenarbeit mit dem Bezirk Wandsbek wurde daraus dann der endgültige Ausführungsplan entwickelt Die Siedlung umfasst 1726 Wohnungen (davon SAGA 465) in gemischter Bauweise vom Reihenhaus bis zum 15-geschossigen Hochhaus. Das Fußwegesystem der Siedlung verläuft unabhängig von der Straßenführung. Die Architektur ist solide und unspektakulär, auch hier kann man wieder skandinavische Einflüsse aufspüren.

Biografie Herbert Sprotte

Biografien mit Tücken

Die Literatur zur Biografie von Herbert Sprotte und Peter Neve ist problematisch, teilweise widersprechen sich die Quellen. So gibt es zwei Angaben zur Gründung des Büros. Eine Fraktion behauptet, Sprotte & Neve gibt es seit 1931, andere Quellen geben 1935 als Gründungsjahr an. Sicher ist, dass sich die beiden 1931 bereits kannten. Möglicherweise bezogen sie beide in diesem Jahr gemeinsam ein Büro im Kaufmannshaus, gründeten aber erst 1935 formell die Partnerschaft.
Unterschiedliche Angaben gibt es auch zum Dienst im Aufräumamt (arbeitete Sprotte dort seit 1943 oder 1945?), ungenau sind die Angaben zur Mitarbeit in verschiedenen Architekturbüros.

Nachrufe

Als Herbert Sprotte 1962 völlig überraschend bei einem Ausflug nach Helgoland an Herzschlag starb, gab es eine Reihe von Nachrufen. Der Name Sprotte und Neve war vielen ein Begriff. Als1985 Peter Neve starb, war das Büro in Vergessenheit geraten und die Fachpresse schwieg sich aus, bis auf eine Meldung in der Zeitschrift "Der Architekt", die vom BDA herausgegeben wird, in dem Neve Mitglied war.

Werner Hebebrand zum Tode von Herbert Sprotte:
"Ihn gekannt zu haben, ihm Freund gewesen zu sein, machte das Leben lebenswerter".

Hermann Schöne über Sprotte:
"... der unermüdlich und einfallsreich Planende, der allen alten und neuen Künsten gegenüber immer Aufgeschlossene, der Suchende und Wegbereitende, der Beratende und Fördernde".

Werkauswahl

Quellen

Christiane Panhans: Die Architektengemeinschaft Sprotte & Neve 1945-1962. Magisterarbeit TU Berlin 2001
Ralf Lange: Hamburg - Wiederaufbau und Neuplanung. 1943- 1963. Königstein: Langewiesche, 1994
Ralf Lange: Architekturführer Hamburg. Stuttgart: Edition Axel Menges, 1995
Hermann Hipp: Freie und Hansestadt Hamburg. Köln: DuMont, 1989
Hans Harms / Dirk Schubert: Wohnen in Hamburg. Hamburg: Christians 1989
Hedwig Heggemann / Norbert Baues: Eine Stadt braucht Luft. Bauen in Hamburg 1945 - 65. Hamburg: Selbstverlag, 1995
Architekten, Daten, Beispiele. Bearbeitung: Norbert Baues. Hrsg.: Hamburgisches Architekturarchiv. Hamburg: 1987
Deutsches Architektenblatt 11/1978, Hamburg-Teil, S. N 232. (Kandidaten zu den Kammerwahlen)
Werner Durth / Niels Gutschow: Träume in Trümmern. Braunschweig / Wiesbaden: Vieweg, 1988, S. 241 (zur Baustube)
Wolfgang Voigt: Fortsetzung oder Ende der Moderne?. In: Deutsches Architektenblatt 121/1987, Hamburg-Teil, S. HS 173 ff.
Bauwelt 28-29/1962, S. 814 (Meldung zum Tode von Sprotte)
Neue Heimat, Heft 7/1962, S. 53 (Nachruf auf Herbert Sprotte)
Der Architekt 7/1962, S. 240 (Nachrufe auf Sprotte)
Bauwelt 43/1985 (Todesmeldung Neve)
Who's Who in Technology, Wörthsee: Who's Who , 1979, S. 486 (Eintrag Peter Neve)

Hamburgisches Architekturarchiv der Hamburgischen Architektenkammer